Felix Wankels Spuren in Lindau verblassen

  • Ich habe gestern einen Artikel in der Tagespresse gelesen, den ich euch nicht vorenthalten will. Ich finde ihn sehr interessant.. :]


    schwäbische zeitung
    Mittwoch, 21. Mai 2008/Nr. 117
    Erfinder


    Felix Wankels Spuren in Lindau verblassen


    LINDAU - Felix Wankel hat den größten Teil seines Erfinderlebens in Lindau verbracht. Dennoch erinnert heute nur noch wenig an den genialen Autodidakten. Auch sein früheres Forschungszentrum direkt am Seeufer gerät zunehmend in Vergessenheit. Von unserem Redakteur Michael Brandt:


    Eigentlich ist es noch gar nicht so lange her, dass Felix Wankel in seinem „Technischen Entwicklungszentrum" (TES)
    in der Fraunhoferstraße in Lindau forschte. Noch bis weit in die 80er Jahre hinein thronte der Erfinder in der „Kapitänskanzel" des selbst entworfenen futuristischen Baus am Bodenseeufer und wachte über seine Erfindungen wie auch über seine Mitarbeiter.
    Von seinen über 80 Patenten hatte er sich je ein Exemplar liefern lassen, und so standen hier jene Fahrzeuge in Reih und Glied, die heute Wankel-Nostalgikern den Blutdruck steigen lassen. Natürlich der Ro 80, die erste serienreife Limousine mit Wankelmotor, die 1967 auf den Markt kam. Wankel experimentierte unermüdlich mit seinem Motor, arbeitete an der Weiterentwicklung seines Drehkolbenprinzips bei einem Abgasturbolader. Gleichzeitig verbesserte er die Idee eines Gleitkufenbootes, des sogenannten „Zisch", mit dem der Nichtschwimmer schon seit den 40er Jahren immer wieder Bodenseefischer oder Segelbootfahrer erschreckt hatte, indem er unter Hinterlassung einer langen Gischtfontäne über den See brauste. So wie der Drehkolbenmotor alle bisherigen Motoren ablösen sollte, so sollte auch das „Zisch "die bislang bekannte Bootskonstruktionen ablösen. Ganz anders wollte der Erfinder an ein Wasserfahrzeug herangehen, und hatte damit auch Erfolg.
    Das „Zisch" glitt auf Spaltkufen, deren Konstruktion sich an die Flügel der Schleiereule anlehnte, und die die Reibung zwischen Boot und Wasser auf ein Minimum reduzierten. Dieses Lernen von der Natur nennt sich heute Bionik und ist ein Standardverfahren geworden, wenn es darum geht, technische Verfahren zu optimieren.


    Der Zeit zu weit voraus


    Einerseits also spielte Wankel in Lindau Zukunftsmusik. Dafür dass bislang nur wenige Stücke davon tatsächlich Zukunft geworden sind, gibt es verschiedene Erklärungen. Dass Wankel sich nicht genug um die Vermarktung gekümmert hat, ist eine, dass er der Zeit zu weit voraus war eine andere. Oder dass es einfach dumm gelaufen ist mit NSU als Partner. NSU hatte nicht das Stehvermögen, um die ersten Rückschläge beim Ro80 zu verkraften.
    Andererseits aber galt auch Wankel selbst als nicht ganz einfacher Chef. Der Motorenbauer ohne Führerschein ließ sich von seinen Mitarbeitern chauffieren.
    „Ihm war’s lieber, er wurde gefahren von einem den er anraunzen konnte", berichtet etwa sein ehemaliger Konstrukteur Dankwart Eiermann. Er ist einer derjenigen, die heute noch an den Wankelmotor glauben. Der Ingenieur wohnt zwar in der Nähe von Lindau, er ist aber Geschäftsführer einer Firma in Cottbus namens „Wankel-Supertec", in der ein moderner, modular aufgebauter Wankelmotor konstruiert wird. Denn die Nachteile des Wankelmotors, vor allem die Dichtungsprobleme, gelten mittlerweile als beseitigt.
    Die Vorteile jedoch liegen noch immer auf der Hand: das geringe Leistungsgewicht, die Vibrationsarmut. Und während der andauernden Treibstoffdiskussion hat sich noch ein weiterer Vorteil herausgestellt, der sich in der Zukunft als wichtig erweisen könnte.
    Im Unterschied zu Hubkolbenmotoren ist der Wankel für den Betrieb mit Wasserstoff geeignet.


    n der Tat gibt es weltweit ein gewisses Comeback des Wankelmotors. Mazda hat mit seinem „Renesis" im RX-8 einen leistungsfähigen Sportwagenmotor entwickelt. Diamond Aircraft verkauft sehr erfolgreich Wankelmotoren für Flugzeuge.
    Nur in Lindau ist es ruhig geworden um den Erfinder. Zwar gab es vor einigen Jahren zum 100. Geburtstag eine große Wankel-Ausstellung. Ein Teil des Wankel-Nachlasses, der heute beim Museum für Arbeit und Technik in Mannheim eingelagert ist, wurde gezeigt, und Wankel-Fans aus aller Welt waren nach Lindau gepilgert.
    Seitdem allerdings ist nicht viel passiert. 2007 dachte kaum jemand daran, dass genau vor 50 Jahren in Lindau der erste Kreiskolbenmotor lief. Auch zu seinem 20. Todestag im kommenden Oktober ist nichts ge-
    plant. Und das frühere TES in der früheren Fraunhoferstraße, die heute Felix-Wankel-Weg heißt, steht leer und verlassen auf einer grünen Wiese.
    Der VW-Konzern hatte vor ein paar Jahren angekündigt, dort ein „Felix-Wankel-lnstitut" zu gründen, und brachte das renovierungsbedürftige Gebäude auf Vordermann. Ein Brainpool für künftige Technologien in der Autoindustrie sollte entstehen, hieß es ganz im Geiste von Wankel. Aber in den letzten Jahren ward in dem Institut, das mittlerweile an die Audi AG weitergereicht wurde, kaum je ein Mensch gesehen. Das Gras wird zwar regelmäßig geschnitten, und vielleicht denkt der Gärtner beim Mähen über den Motor der Zukunft nach, der sein Gefährt leiser macht, aber ansonsten werden es immer weniger, die um die Bedeutung des Gebäudes wissen.
    Und darüber, dass es auch einen Rasenmäher mit Wankelmotor gab, der dem Gärtner das Leben angenehmer hätte machen können.